Die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und dann eine Meinung zu bilden, sollten wir den Menschen in unserer Region schon zugestehen. Auch wenn mir eine dann mögliche Entscheidung nicht gefällt – den Prozess der Meinungsbildung vorsorglich abzuwürgen, ist da vielleicht doch nicht der „Königsweg“.
Seit 160 Jahren kämpfen wir für Demokratie und Weltoffenheit. Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Denn nicht nur die Geschichte lehrt uns: Mit Rechten taktiert man nicht, man hofiert sie nicht und man arbeitet erst recht nicht mit ihnen zusammen.
Als Alexander Woronzow, ein sowjetischer Soldat, gemeinsam mit seinen Kameraden der 1. Ukrainischen Front ein wenig später am Nachmittag des 27. Januar 1945 durch das Tor mit dem zynischen Schriftzug „Arbeit macht frei“ ging, hatte er eine Filmkamera dabei, seine Kamera. Es sind seine Bilder, die wir kennen als die ersten Bilder nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Bilder von Kindern, die dem Kameramann ihre Arme entgegenstreckten, um ihm die eintätowierten Nummern zu zeigen, die sie als Häftlinge ausweisen: Schicksalslose, mit Materialnummern versehen, Brandzeichen einer versuchten Entmenschlichung. Es sind Bilder grenzenlosen Grauens, es sind Bilder eines deutschen Verbrechens.
Als Alexander Woronzow viele Jahrzehnte später von dem sprach, was er an diesem Tag durch das Objektiv seiner Kamera gesehen hatte, sagte er: „Über diese Erinnerung hat die Zeit keine Macht.“
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Wer also erinnern will, wer das Andenken der Opfer ehren will, der muss Demokratie und Rechtsstaat schützen, wo immer eines von beiden infrage gestellt ist!
(Auszug aus einer Rede des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier – 2020)